Samstag, 17. September 2011

No. 5 - Konfuzius sagt: Wandle jeden Pfad mehrmals entlang, so wirst du Neues entdecken… oder so ähnlich


Ich muss zugeben, dass ich recht unzuverlässig bin. Ließ ich in meinem letzten Eintrag nicht verlauten, dass mein nächstes literarisches Juwel (Pulitzer!) nicht schon auf dem Fuße folgen würde? Ok, ich brauche dringend eine Ausrede dafür. Hm, das ist gar nicht so einfach… Wie wär’s mit: ich hab’ jetzt einen Job bei Google China? Oder: ich arbeite jetzt im ZK der KPC? Um ehrlich zu sein, hatte ich einfach keine Zeit und auch nicht die Muße. Für diesen Blog benötige ich meine ganze mentale Kapazität und die war nach vier Stunden Unterricht und zwei Stunden Lernen ausgereizt.
Der Reihe nach. Freitagabend ging ich ins CSA-Office, da ein Welcome-Dinner geplant war. Um 19 Uhr machten wir uns auf den Weg in Richtung eines Restaurants, in dem es u.a. Pekingente gab. Jeder von uns wurde verschiedenen Tischen zugeordnet, sodass nicht die Leute zusammen sitzen, die sich schon kannten. Bevor die Ente überhaupt auf den Tisch kam, wurden etwa 15 verschiedene Gerichte serviert. Die meisten davon schmeckten wirklich sehr gut und ich war schon fast satt, als das eigentliche Hauptgericht kam. Keir, der neben mir saß, zeigte mir, wie man die Pekingente genau isst. Die in Scheiben geschnittene Ente wird in einen dünnen, runden Fladen zusammen mit Pflaumensauce (sehr zu empfehlen!), Frühlingszwiebeln und Gurken gewickelt. Sehr lecker! Danach gingen wir ins KTV, dass es in Beijing an jeder Ecke gibt. Dort versuchten sich einige von uns an Karaoke. Wir hatten einen großen Raum mit Riesen-Screen für uns selbst. Ich sang zwar nicht, aber lernte ein chinesisches Trinkspiel kennen, was ich immer noch nicht verstanden habe. Es ist ein bisschen wie Meiern/Mäxchen, aber viel komplizierter. Um 24 Uhr machten sich einige der CSAler in Richtung Downtown bzw. Sanlitun auf, aber ich wollte nach Hause. Zusammen mit Irene und Brian fuhr ich in einem Taxi zurück zum BLCU-Campus.
Samstag ging es munter weiter, da ich an einer Exkursion geplant und ausgeführt von CSA teilnahm. Zuerst ging es zum Art District, das Beijinger Künstlerviertel, in dem an jeder Ecke Skulpturen und Plastiken stehen. Leider war das Wetter an dem Tag nicht besonders gut – es regnete und war für die Jahreszeit etwas zu kalt – und viele Ausstellungen waren noch nicht eröffnet, sodass es dort etwas langweilig war. Zusammen mit Irene zog ich los und fand zuerst den Weg in ein Café, um mich etwas aufzuwärmen. Nachdem wir uns beide einen Kaffee geholt hatten, gingen wir in ein anderes Café, da dort Steve und Alex saßen und wir keine anderen CSAler sahen. Nach dem Art District fuhren wir zum Silk Market, ein sechsstöckiges Gebäude im Herzen Beijings. Dort gibt es alles und teilweise so einen Kitsch, da habt ihr noch nicht gesehen!! Irene und ich waren auf der Suche nach einem Regenschirm und im Endeffekt kam ich aus dem Gebäude ohne Schirm (wir konnten keinen finden!) aber mit einer kleinen Trolley-Tasche, die perfekt für Wochenendtrips ist. Das Schmuckstück (wieso habe ich beim ersten Versuch „Schmucktisch“ geschrieben? Mein Deutsch und Englisch sind heute wirklich nicht gut. :D) ist gut verarbeitet und kostete mich auch nur 200 kuai. Nach dem Silk Market machte sich unsere Gruppe zum Beijing Night Market auf. Ein wirklich interessanter Ort! Dort gibt es alles Essbares zu kaufen, was man sonst nicht in einem Supermarkt findet. Kohler, Meir (immer noch nicht rausgefunden, wie man den Namen tatsächlich schreibt…) und ein paar andere probierten Seepferd und anderes Getier wie Silk Worm. Auf dem Rückweg kaufte sich Kohler noch mal Seepferdchen, weil es ihm sehr gut mundete. Steve war ebenfalls dabei und filmte, wie Kohler ein Mini-Seepferdchen verspeiste. Er fragte danach, ob noch jemand probieren wolle. Jen traute sich und ich dachte mir: „Go for it!“ und biss ein kleines Stück von dem Meeresbewohner ab. Es schmeckte nicht übel. Knuspriger Fisch. Da Meir und die anderen auch noch Skorpion probieren wollte, gingen wir zu einem anderen Nachtmarkt. Die kleinen Skorpione und andere Käfer waren lebendig aufgespießt. Es war ein bedrückendes Gefühl, das zu sehen. Aber ich behalte stets im Hinterkopf, dass ich mich in einem anderen Kulturkreis aufhalte und daher nicht (ver)urteilen darf. Natürlich war auch good old Steve dabei, der u.a. mich filmte, wie ich einen ganzen (kleinen) Skorpion verspeiste. Natürlich mit super Gesichtsausdruck und asian-like Peace-Zeichen. ;) Es war ziemlich gut, da der Skorpion gut gewürzt war. Wenn ich das Tierchen blind gegessen hätte, wäre ich nie darauf gekommen, dass es Skorpion ist. Später gingen einige von uns noch in Richtung Downtown, der Rest machte sich auf den Weg zurück nach Wudaokou.
Sonntag gab es einen weiteren Ausflug, der die CSA-Leute nach Shidu führte. Da ich zuerst dachte, dass es ein Camping-Trip sei, entschied ich mich, nicht mitzufahren. Stattdessen wagte ich mich an diesem Tag endlich und auch erfolgreich in die U-Bahn. 45 Minuten später erreichte ich den größten und angeblich eine Million Menschen umfassenden Platz der Welt: Tian’anmen. Der Platz ist umgeben vom Nationalen Chinesischen Museum, dem Mao Zedong-Mausoleum, der Großen Halle des Volkes und der Verbotenen Stadt, die sich auf 4,5 km (Nord-Süd-Aurichtung) dahinter ausbreitet. Auf den Platz selbst gelangte ich selbst nur durch eine Sicherheitskontrolle. Ich war überrascht, wie groß er ist. Ich wanderte etwa anderthalb Stunden dort umher und fuhr mit der U-Bahn zurück in die Wudaokou Area. Das ganze hatte etwas von einem kleinen Abenteuer, da ich das Unternehmen alleine anging. Ich hatte niemanden getextet, da ich dachte, alle, die ich bis dato kannte, seien auf diesem Trip nach Shidu. Am späten Nachmittag als ich mit meinen Eltern skypte, erhielt ich eine SMS von Joe, ob ich nicht mit ihm, Irene und ihrer Mitbewohnerin Vanessa zusammen Abendessen einnehmen wolle. Irene, Joe und ich (Vanessa war dann doch beschäftigt) gingen in ein Restaurant, in dem es Hot Pot gibt. Leute, dieses Gericht ist sooooo gut! Hot Pot ist ein Topf (man Tina, deine Übersetzungen sind wirklich sau gut! ;) der in der Mitte eine Art kegelförmige Konstruktion hat, in die heiße Kohle gefüllt wird. In den Topf selbst befindet sich eine kochende Suppe, in die man Fleisch, Fisch, Gemüse und Doufu geben kann. Es funktioniert wie Fondue nur ohne Öl. Zum Schluss trinkt man die Suppe, die zwar vorher schon Geschmack hatte, aber nach dem Kochen wirklich richtig gut ist. In dem Restaurant, in dem wir waren, gab es sechs verschiedene Suppen zur Auswahl und ungefähr 50 verschiedene Dinge oder vielleicht auch mehr, die man in den Hot Pot geben konnte. Danach liefen wir noch ein bisschen durch die Gegend und Irene verabschiedete sich irgendwann. Joe und ich gingen zurück zum Campus, da er dort ebenfalls wohnt (aber anderes Haus).
Montag traf ich mit den beiden und dieses Mal auch Vanessa zum Brunch in den Golden Towers, eine Art Shopping Mall ähnlich dem Silk Market. Ich aß zum ersten Mal „chinese porrigde“, welcher aus Reis gemacht und in vier Geschmacksrichtungen erhältlich war. Es war nicht schlecht, wird aber nicht mein Lieblinsgericht werden. ;) Nach dem Brunch fuhren wir mit dem Taxi zu Zhongguancun, wo ich die Woche zuvor schon zu Fuß hingelaufen bin. Vanessa wollte einen Drucker kaufen, Irene sich die Kameras anschauen und ich wollte einen Blick auf die elektronischen Wörterbücher werden. Letztendlich wurde lediglich Vanessa fündig. Wir verbrachten einige Stunden dort und wollten irgendwann mit dem Taxi zurückfahren, was gar nicht so einfach war, denn entweder saß schon jemand im Taxi (und nein, ich meine damit ausdrücklich nicht den Fahrer ^^) oder es kam einfach keines vorbei. Wir entschieden uns für die U-Bahn, was bis zum Umsteigebahnhof auch eine gute Idee war. Dort angelangt verpassten wir zwei Bahnen, da diese einfach überfüllt waren. Wir verließen die Station und gelangten per Taxi zurück nach Wudaokou. Wir gingen ins U-Center, da Joe sich eine Jeans kaufen wollte. Wir berieten ihn bei der Anprobe und gingen anschließend Pasta essen. In der Pizzeria stieß später Mike (aus Deutschland :D) zu uns, der begeistert vom Shidu-Trip erzählte und uns seinen Bungee-Jump, in Video-Format für die Ewigkeit aufgenommen, zeigte. Danach gingen wir alle noch ein bisschen shoppen und ich ergatterte den kitschigsten Schlüsselanhänger der Welt, der nicht nur sehr nach Manga-Hase aussieht, sondern auch noch gülden ist und glitzert und blinkt – i love it! Abends lernte ich noch ein paar Stunden Vokabeln, da ich am nächsten Tag wieder Unterricht hatte.
Die Woche war soweit recht ereignislos. Jeden Tag Unterricht, am Mittwoch traf ich mich nachmittags mit zwei Tutoren, um Probestunden zu nehmen. Cindy und Maggie hießen die beiden. Ich weiß, es klingt äußerst chinesisch. ;) Aber viele Chinesen, v.a. die Frauen geben sich englische Namen, da es für westliche Menschen einfacher auszusprechen ist. Maggies Probestunde lief dann auf ein zwei Stunden reguläres tutoring hinaus. Danach war ich wirklich geschafft und froh, endlich frei zu haben. Donnerstag ging es direkt nach dem Unterricht zu einem Krankenhaus, da alle Studenten, die länger als ein halbes Jahr in China bleiben wollen, sich einem Check-Up unterziehen müssen, der Bluttest, X-Ray und noch andere nette Dinge umfasst. Ich hatte glücklicherweise die ganze Prozedur in Deutschland schon erledigt, konnte mir aber leider nicht gewiss sein, ob in China wirklich alles anerkannt wird. Ich hatte Glück und musste überhaupt keinen Test machen. Während ich dort war, lernte ich Marie aus Helsinki kennen, die auch an der BLCU studiert, aber in der Business-Klasse ist. Sie erzählte mir von ihren Sprachkurs und die Probleme dort, da einige schon Chinesisch sprechen und andere wie sie überhaupt nichts können. Als wir endlich um 15.30 wieder auf dem Campus waren, war ich wirklich erfreut, endlich etwas essen zu können. Ich durfte den ganzen Tag nichts essen aufgrund des möglicherweise anstehenden Bluttestes. Kurz danach radelte ich auf meinem Kinderfahrrad (es hat wirklich die Größe eines solchen ^^) Richtung CSA, da ich ein paar organisatorische Angelegenheiten zu klären hatte. Und natürlich war diese 15 minütige Fahrt nicht ohne Ereignisse, das wäre langweilig und unprofessionell. Die äußerst clevere Tina G. hatte es nämlich geschafft, ihr Fahrrad mutwillig zu zerstören, bevor sie die Reise antrat. Sie wollte lediglich den Lenker etwas mehr befestigen und brach aus Versehen (is’ klar, ne!?) etwas an der Befestigung ab, sodass der Lenker nun nicht mehr fest verankert war. An der ersten Rechtkurve dann, gab es einen großen Schock für das Fahrrad-Genie in Person klein Tina, da ihr der Lenker auf einmal entgegenkam und der Radl-Zwerg fast vom Drahtesel gefallen wäre. Glücklicherweise behielt Zweirad-Göttin Tina Goldfish einen kühlen Kopf oder sie hatte einfach einen Schutzengel, denn nichts passierte. Die Bike-Queen brauchte für den relativ kurzen Weg einiges an Zeit, da sie zwischendurch immer wieder mal anhalten musste, um den Lenker zu fixieren.
Endlich beim Office angekommen, sprach ich mit Jessica und Dave über das tutoring und meinen Pass. Als ich wieder bei meinem Rad angekommen war, fiel mir ein, dass ich ja auch nach dem Weg zu dem Fahrradladen, wo ich mein liebstes Fortbewegungsmittel gekauft hatte, erfragen wollte. Ich ging wieder ins Gebäude in den dritten Stock und fragte danach, machte mich wieder auf den Weg zurück, wo mir auf halber Strecke einfiel, dass ich noch 100 kuai deposit für den Ausflug am Samstag abgeben wollte. Ich machte also kehrt und gab das Geld ab. Verständlicherweise fühlte ich mich selten dämlich, weil ich ungefähr tausend Mal in das Office hineinplatzte, da ich ja doch noch – ganz überraschend – etwas zu erledigen hatte. Als ich nach gefühlten Stunden mich endlich zum Fahrradladen begeben konnte, war ich nicht nur leicht verwirrt, ich war vollkommen erledigt. Den Laden fand ich auf Anhieb und sie reparierten die Angelegenheiten auf chinesisch: mit einem dünnen Plastikbändchen, provisorisch aber praktisch und kostenlos, was ich erst nicht glauben konnte (die Chinesen sind die größten Kapitalisten überhaupt!), aber ich natürlich dankend annahm (Xiexie! Xiexie! Xiexie!). Der Rest des Tages war davon geprägt, chinesisch Vokabeln zu lernen und mich auszuruhen.

Wie ihr seht wieder ein langer Eintrag der Nobelpreis verdächtigen Auslandskorrespondentin alias Tina. Ich hoffe ich mute euch nicht zu viel zu. :) Und dieses Mal verspreche ich auch, den nächsten Eintrag früher folgen zu lassen, da ich sonst lustige Kleinigkeiten vergesse, wenn ich zwischendurch zu viel Zeit verstreichen lasse.
Ich wünsche euch allen ein schönes erholsames Wochenende. :)
Tina alias Tour-de-France-Gewinnerin Pia No. ;)

3 Kommentare:

  1. Mensch Tina, Langeweile kommt bei dir aber auch nicht auf! Freu mich echt über jeden neuen Eintrag von dir, aber ob du das wohl das ganze Jahr lang aushälst? Schauen wir mal... :P
    Dass du beim Karaoke nicht singen wolltest schockierte mich etwas. Da haben wir doch immer sooooo fleißig geübt?! Naja, vielleicht ist's auch einfach schon zuuuu lange her... Von diesem Hot Pot haben mir "meine Chinesen" hier in Holland auch schon berichtet, den machen die nämlich regelmäßig selbst! Probiert habe ich aber noch nicht, der soll nämlich sehr 'hot' sein :D Also nichts für meinen europäischen Magen.

    Bis zu deinem nächsten Abenteuer! Gaaanz liebe Grüße!

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  2. Hey Julia,
    den Hot Pot bekommst du hier in verschiedenen Schärfegraden. ^^ Wir hatten einen sehr milden, da die beiden anderen nicht so gern scharf essen.
    Jaaa, ich versuche zumindestens, regelmäßig zu schreiben. Bei meinem NZ-Blog lag die Schwierigkeit ja darin, immer nur einmal die Woche oder so ins Internet gehen zu können. Das Problem habe ich dieses Mal ja nicht. ;)
    Ganz lieben Gruß nach Holland. :)

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  3. heute habe ich es endlich geschafft den so lang ersehnten Beitrag von dir zu lesen. Ich habe beim lesen öfters die Macke laut los zu lachen, weil ich mir durch unseren Italia-Trip genau vorstellen kann wie du in manchen Situationen reagierst oder dich anstellst. So zum Beispiel bei dem Spiel mit dem Lenker. Oder deine Ausführung über den heißen Topf, die ist einfach herrlich. Ich lese deinen Blog immer wieder gern und möchte dir danken das du uns daran so teilhaben lässt. Is wirklich toll. Ich freu mich schon dich zu besuchen und mit dir gemeinsam die Stadt unsicher zu machen. Gleichzeitig bin ich aber beruhig das du dann so lange schon da bist, dass du die Stadt aus der Westentasche kennst und ich mich dann auf die verlassen kann. Skypen wir wieder am Sonntag? Ich komme ja aus London zurück und habe hoffentlich viele interessante Geschichten zu erzählen.

    Liebste Grüße aus der, im Vergleich zu Beijing beschaulichen dennoch wunderschönen Stadt Berlin

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